Das MBUI-Fondsmanager-Tagebuch für Februar 2023 ... gute Stimmung versus Realität
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde der Mehrwertphasen-Strategie,
für die einen drängt sich der Vergleich zur Titanic auf: Auf dem Oberdeck wurde noch getanzt, während der monströse Dampfer längst leck geschlagen und sein Untergang besiegelt war. Andere kontern, dass die Börse (respektive die dort gehandelten Aktien) natürlich nicht untergehen wird. Zudem handeln die Börsianer die Zukunft. Die allerdings ist immer rosig - alles nur eine Frage der Zeit. Doch Privatanleger geben - wider alle Vernunft - der Geldanlage an den Börsen nicht die Zeit, die es braucht, um die Früchte ernten zu können. Ein Einbruch wie der Corona-Crash sorgt für erhebliche Mittelabflüsse. Die Anleger, die verkauft haben, haben nichts vom sich anschließenden steilen Anstieg. Die gute Großwetterlage erfreut einen nur so lange, bis man beim Spaziergang am eigenen Leib erfahren muss, was der Wetter-Moderator mit "strichweise Regen" meinte.
Lesen Sie hier, was die Motive unseres Handelns im Februar waren, wie wir gewonnene Erkenntnisse konkret umsetzten und was uns ansonsten einen Tagebucheintrag Wert war.
(Alle Ausgaben des MBUI-Fondsmanager-Tagebuchsfür die jeweils letzten 12 Monate finden Sie - nach Bestätigung des Disclaimers - im Bereich für Investment-Professionals auf der MBUI-Website.)
Mittwoch, 01.02.2023
Ende letzten Monats erteilten wir die Order für den Kauf des "Flexiblen Mischfonds 4", den wir schon seit vielen Jahren kennen, beobachten und schätzen. Nachdem es zwischenzeitlich einen Verkauf der Firma des Fondsmanagers gegeben hatte, warteten wir zunächst einmal ab, ob uns die Entwicklung auch weiterhin imponieren würde, denn nun läuft der ursprünglich bereits vor mehr als zehn Jahren aufgelegte Fonds unter neuer Flagge, wenngleich vom bisherigen Manager betreut. Der muss sich nun nicht mehr um die administrativen Herausforderungen (BaFin-Prüfung, Compliance, Wirtschaftsprüfung, Personal etc.) kümmern und freut sich, nun endlich als "Fulltime-Manager" das zu machen, was er - zumindest beruflich - am liebsten macht. Man sieht es den Ergebnissen förmlich an: Die herausfordernden Märkte wurden bravourös gemeistert. Nachdem in den ersten drei Quartalen des letzten Jahres die Verluste in Zaum gehalten wurden, konnte der Fonds, der oft einen Contrarian-Ansatz verfolgt, das Katastrophenjahr 2022 sogar mit einem Plus von 4,69% beenden. Im Januar legte er nun um weitere 5,78% zu. Dass wir ausgerechnet zu einem neuen Allzeithoch kauften, stört uns wenig, denn dieses wird sicher in Kürze überboten werden - so unsere Erwartung aufgrund der aktuellen Positionierung des Fonds.
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Frühzeitig hatte der Fondsmanager aufgrund der Notenbankpolitik und der rasanten Neuverschuldung mit einem kräftigen Anstieg der Teuerung gerechnet. Das Zinsänderungsrisiko war deshalb früh über Zinsfutures abgesichert. Mit diesem fast risikofreien Trade wurden im letzten Jahr rund 13% Gewinn eingefahren, wobei der Anteil der Anleihen am Portfolio meist nur zwischen 10% und 15% lag. Aber man muss auch erwähnen, dass der Fonds frühzeitig Positionen in Energiewerten aufgebaut hatte, die viele Investoren aus ESG-Gründen nicht mehr angefasst hatten.
Montag, 06.02.2023
Die zunehmende Schnelllebigkeit macht es offensichtlich unumgänglich, immer mehr Begriffe abzukürzen. Da kann es schon mal vorkommen, dass es zu Dopplungen kommt. Wer da nicht auf der Höhe der Zeit ist, könnte sich fragen, warum Robert Habeck mit seinem französischen Amtskollegen zu Joe Biden reist, um über eine irische Terrororganisation zu verhandeln, von der man schon lange nichts mehr gehört hat. Man könnte aber auch auf die Idee kommen, es gehe um die Alterversorgung in den USA (IRA stünde dann für Individual Retirement Arrangement). Tatsächlich geht es natürlich um den Inflation Reduction Act, eine Mischung aus Steuersenkungen für grüne Produkte, staatlicher Subvention der Wasserstoffproduktion und eine gehörigen Portion Protektionismus. Schließlich soll die Förderung ausschließlich für Produkte gewährt werden, die in den USA produziert werden.
Mittwoch, 08.02.2023
Die Reallöhne sanken im dritten Jahr in Folge - im letzten Jahr so stark wie nie zuvor. 4,1% weniger Kaufkraft in 2022. Was dies für die kommenden Lohnrunden bedeutet, dürfte klar sein. Verdi lässt seine Mitglieder für 15% mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro (!) streiken. Die Bahn-Gewerkschaft fordert 12% bei einer Laufzeit von einem Jahr. Für den öffentlichen Dienst werden 10,5% (bei einem Minimum von 500 Euro) gefordert. Das spricht nicht für eine zeitnah in Richtung 2% sinkende Inflation.
Robert Habeck und Bruno Le Maire sind - erwartungsgemäß - unverrichteter Dinge aus den USA zurückgekehrt. Am 08. März will nun die EU ihre Pläne für einen "Green Deal Industrial Plan" bekanntgeben. Bruno Le Maire sagte gestern, dass dafür keine neuen Finanzmittel und EU-Fonds benötigt werden. Da stellt sich doch die Frage, warum die EU zehn Monate wartete, ehe sie auf die Ankündigung des IRA reagiert.
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Konsequenz für uns: Wir können wohl davon ausgehen, dass die Euro-Stärke bald ihren Höhepunkt erreicht und dass die massive Outperformance des DAX in den letzten vier Monaten einfach nur ein Irrtum war. Sobald sich herausstellt, dass der "Green Deal Industrial Plan" zum Rohrkrepierer wird, werden wir prüfen, ob es an der Zeit ist, den Relative Value Trade erneut aufzusetzen. |
Dabei würden wir den DAX zweifach gehebelt shorten und im Gegenzug den S&P 500 zweifach gehebelt long investieren. Das Risiko eines solchen Paar-Investments ist im Normalfall gering. Aber noch ist es nicht soweit, denn hier spielen noch eine Reihe weiterer Faktoren eine Rolle. Mehr dazu zu gegebener Zeit.
Freitag, 10.02.2023
DJE-Kapital veröffentlichte heute eine Grafik, die doch sehr zu denken gibt, denn derart weit klafften die Erwartungen der Marktteilnehmer und die Äußerungen der Fed-Mitglieder zur weiteren Zinsentwicklung wohl noch nie auseinander. Dabei argumentiert die Fed u.a. damit, dass die Arbeitslosenquote mit 3,4% so niedrig ist wie seit mehr als 50 Jahren nicht mehr. Marktteilnehmer sehen demgegenüber u.a. einen Rückgang des US-Aufträge-Indikators im nunmehr 5. Monat in Folge. Beide Seiten können nicht Recht haben. Wir räumen der Chance, dass die Fed der Inflationsbekämpfung den Vorrang gibt, die größeren Chancen ein. |
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Auch eine Reihe weiterer Indikatoren und Fundamentaldaten deutet darauf hin, dass die Profis anders agieren, als es die gute Stimmung vermuten lässt. So lag z.B. der Stimmungsindikator "Greed & Fear" (Gier und Furcht) jüngst wieder bei 80% - ein Wert, der zuletzt im Zuge der Finanzkrise markiert wurde.
Montag, 13.02.2023
Die Affäre um den indischen Milliadär Gautam Adani schlägt hohe Wellen. Was zunächst den Anschein einer Shortseller-Attacke von Hindenburg Research erweckte, erschüttert nun nicht nur die indische Börse. Nach und nach werden die Details bekannt. So soll Adani über die insgesamt 578 (!) Tochterunternehmen der sieben Schlüsselunternehmen der Adani-Gruppe innerhalb von nur drei Jahren ein Nettovermögen von 100 Milliarden US-Dollar angehäuft haben. Bilanzfälschungen, Steuerhinterziehung, Geldwäsche, illegaler Diamantenhandel oder Kursmanipulationen - die Liste der Vorwürfe ist lang.
Unser "Indien-Aktienfonds 1" hält sich in diesem Umfeld wacker. Während der MSCI India über die letzten 12 Monate mehr als 5% im Minus liegt, ist der MBUI-Zielfonds nur um 0,5% unter dem Stand vor einem Jahr. Der Aufstieg Indiens wird nicht aufzuhalten sein. Ein Skandal wie der aktuelle erschüttert, hemmt aber letzten Endes nicht die weitere Entwicklung. Wir haben bereits die Aufstockung des "Indien-Aktienfonds 1" für den Fall beschlossen, dass der Anteilspreis um mehr als 10% fällt.
Dienstag, 14.02.2023
Die Inflation - so hören wir seit einiger Zeit - hat ihren Höhepunkt überschritten. Die Erzeugerpreise in der Landwirtschaft sind davon allerdings noch nicht betroffen. Sie verzeichneten im Jahresvergleich einen Rekordanstieg von 32,9%. Mag sein, dass man die steigenden Einkommen nutzt, um nun nachzuholen, was man während der Pandemie an Marge verloren hatte. Die deutsche Wirtschaft war laut DIHK in 2022 immerhin wegen stark gestiegener Preise, die nicht vollständig an Kunden weitergegeben werden konnten, mit Kosten in Höhe von 115 Milliarden Euro belastet. Wenn dies aber nun nachgeholt wird, steigt die Kerninflation weiter. Hat man vergessen, wie eine Lohn-Preis-Spirale funktioniert?
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Trotzdem zeichnet sich zunehmend ab, dass die Gefahr einer globalen Rezession abnimmt. Das globale Wachstum wird jedoch von Afrika und Südostasien befeuert. Der Beitrag aus der Eurozone dürfte gering bleiben. Doch dass die Inflation in Europa oder den USA noch dieses Jahr auf 2% zurückgeht, erscheint utopisch. Laut Bloomberg dauerte ein derart hoher Rückgang bislang mindestens 3 Jahre. |
Mittwoch, 22.02.2022
ESB-Chefin Lagarde sagte gestern in Helsinki, dass die Lohnentwicklung eine Schlüsselkomponente der Zinspolitik sei. Sie erkenne jedoch noch keine Lohn-Preis-Spirale. Nun ja, die Spirale erkennt man erst, wenn aufgrund gestiegener Löhne die Preise erhöht werden. Derzeit befinden wir uns aber zunächst mal in der Phase der Lohnerhöhungen und bei großteils zweistelligen Lohnforderungen kann man wohl nicht davon ausgehen, dass die Preise davon nicht tangiert werden.
Heute Morgen teilte das Statistische Bundesamt passend dazu mit, dass die Verbraucherpreise im Januar um durchschnittlich 8,7% gestiegen sind. Nach 8,1% im Dezember macht das nicht den Eindruck, als würde die Inflation sich schnell wieder in Richtung 2% bewegen. Warum überrascht uns das nicht? "In den jüngsten Tarifabschlüssen sind die Auswirkungen der hohen Preissteigerungsraten bereits klar erkennbar." heißt es im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank. Frau Lagarde hatte wohl noch keine Zeit, ihn zu lesen.
Freitag, 24.02.2023
Heute vor einem Jahr wachten wir auf und was wir noch am Abend zuvor für unmöglich hielten, war grausame Realität: Russland war in der Ukraine einmarschiert. Dass wir uns seitdem fast täglich mit Inflations- und Zinsthemen beschäftigen, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem völkerrechtswidrigen Akt. So auch heute, denn Bundesbank-Präsident Joachim Nagel schließt angesichts des anhaltend kräftigen Inflationsdrucks weitere deutliche Zinserhöhungen im Euro-Raum nach dem März nicht aus. Wörtlich sagte er auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesfinanzminister Christian Lindner: "... schließe ich nicht aus, dass auch weitere Zinsschritte, deutliche Zinsschritte, über den März hinaus dann erforderlich sein müssen".
Die Kerninflationsrate war im Januar auf 5,3% gestiegen (nach 5,2% im Dezember und 5,0% im November). Das bereitet vielen Währungshütern Sorgen.
Dienstag, 28.02.2023
Was vielen Währungshütern zumindest noch in der letzten Woche Sorgen bereitete, stellt sich für EZB-Chefvolkswirt Philip Lane offensichtlich ganz anders dar: Für Energie, Lebensmittel und Waren gebe es vorausschauende Indikatoren, die anzeigten, dass der Inflationsdruck in diesen Sektoren deutlich zurückgehen dürfte. Man habe die Bestätigung erhalten, dass die EZB-Geldpolitik wirke. Lane zufolge steige die preisdämpfende Wirkung des Straffungskurses. Laut Lane gibt es drei Kriterien, die erfüllt sein müssten, damit die EZB ihren Zinserhöhungskurs beendet: • Ein Element seien die EZB-Inflationsprojektionen (Endpunkt und Pfad zum Endpunkt). • Zusätzlich müssen Fortschritte bei der Senkung der Kerninflation klar erkennbar sein. • Zudem bedürfe es einer Bewertung, wie zügig und kraftvoll der Straffungskurs der EZB wirke. Diese Kriterien sind so flexibel wie ein Bungee-Seil. Wir sind gespannt, wie sie zu gegebener Zeit ausgelegt werden, sofern sie nicht einfach in Vergessenheit geraten.
Der MBUI hat den Februar mit einem Minus von 0,68% abgeschlossen, liegt damit aber in diesem Jahr immer noch leicht im Plus. Erneut übertrumpften DAX und EuroSTOXX die US-Indices S&P 500 bzw. Nasdaq 100. Die Logik der Märkte verschließt sich uns. Auch wenn wir so manche Begründung durchaus nachvollziehen können, so müssen wir einem erneuten Goldilocks-Szenario trotzdem nicht die höchste Wahrscheinlichkeit beimessen. Es ist eben nicht nur wichtig, was (irgendwann) passieren wird, sondern auch, wie es sich auf der Zeitachse entwickelt.
Auf die Gefahr hin, Sie zu langweilen: Wir bleiben vorsichtig. Bis zum nächsten Mal ...
Ihr/euer Jürgen Dumschat |